Die multimediale Zeitreise

multimediale Zeitreise

2003 - heute

Beitrag Nr. 15


BEITRAG VON MARIE-LOUISE VAN SWELM UND DR. ANNINA SANDMEIER-WALT

«Wir vermitteln die notwendigen Wohnkompetenzen» – über die Entwicklung der Sozialberatung beim JUWO

JUWO vermittelt heute nicht nur Wohnraum, sondern auch Wohnkompetenz. Dieser Beitrag zeigt die Entwicklungslinien der Sozialberatung des JUWO auf und gibt Einblick in ein anspruchsvolles Arbeitsfeld.

«Wohngemeinschaft zweier Jugendlicher, einer davon mit psychischen und sozialen Beeinträchtigungen» oder «Methadonbezüger in einer unstabilen Situation» – so lauteten Kurzbeschreibungen von Wohnprojekten des Vereins Züricher Jugendwohnungen (VZJW) 1991. Etwa ein Drittel der Mieter:innen waren entweder arbeitslos oder temporär an geschützten Arbeitsplätzen tätig. Verlangte es die Situation, bot der Verein Sozialberatungen für seine Mieter:innen im Bereich des Wohnens an. Konkret hiess dies um 1990, dass der VZJW gegen 500 Beratungen pro Jahr durchführte.

Team SoBe

Das Team Sozialberatung trifft sich regelmässigen zum
Erfahrungs-Austausch.

Bild: Martina Dettling

Sozialberatung

Illustration
aus dem JUWO-Geschäftsbericht 2023

Illustration: Nina Germann, Leanza Mediaproduktion GmbH


Stetiger Lernprozess

Aber es gab auch Fälle, in denen die angebotene Hilfe wenig fruchtete. So wird im Jahresbericht von 1989 Beat vorgestellt. Beats Wohnung mutierte zusehends zur Drogenhölle und er tauchte schliesslich unter. Andererseits war da Werner, der längere Zeit niemanden in seine Wohnung liess. Und als Werners Wohnungstüre aufgebrochen werden musste, fanden sich darin «elf verschiedene Tierarten». Der VZJW versuchte aus solchen Beispielen, die er ausführlich im Jahresbericht beschrieb, Lehren zu ziehen und seine Mieter:innen enger zu begleiten.

Die Jugendwohnhilfe, die sich an Studierende und Auszubildende mit geregeltem Einkommen richtete, bot keine Sozialberatungen an. Sie erkannte jedoch den steigenden Bedarf für die Vermittlung von Mietkompetenzen um die Jahrtausendwende. Als 2003 die Jugendwohnhilfe und der VZJW fusionierten, waren sich beide Vereine einig, dass die Sozialberatungen weitergeführt werden sollten. Das JUWO erhielt den Leistungsauftrag der Stadt Zürich und machte die Sozialberatungen zu einer wichtigen Säule im Tagesgeschäft. Marie-Louise van Swelm, heute COO und Leiterin der Sozialberatung beim JUWO, stiess 2008 zum Team. Sie gibt Einblick in die Entwicklung der der letzten 15 Jahre:


Erstgespräche zum Beziehungsaufbau

Als ich beim JUWO angefangen habe, war ich im 40-Prozent-Pensum für die Sozialberatung zuständig und hatte 12 Klient:innen. Heute ist das anders. Inzwischen engagieren sich vier Personen mit 270 Stellenprozenten für die Sozialberatungen und leisten rund 3000 Beratungsstunden pro Jahr. Nicht nur gibt es heute mehr als dreimal so viele Mieter:innen beim JUWO als noch zu Beginn der 2000er-Jahre, es fand auf verschiedenen Ebenen eine Professionalisierung statt.

Der Informationsfluss ist heute digital und die eigens für JUWO programmierte Datenbank wird stetig weiterentwickelt. Die Sozialberatung hat alle ihre beratungsrelevanten Unterlagen – natürlich unter Achtung des Datenschutzes – digital abgelegt.

Zentral ist, dass ein präventives Erstgespräch mit allen Mieter:innen bei Vertragsabschluss stattfindet. Denn oft ist es der erste Vertrag, den die jungen Menschen abschliessen. Und manchmal ist es das erste Mal, dass sie nun für sich selbst verantwortlich sind und ihren Alltag organisieren müssen. Den Müll rausbringen, Waschmaschinennutzung, Umgang mit Nachbarn, Ruhezeiten im Wohnblock respektieren – all das will gelernt sein und darauf möchten wir sie gut vorbereiten. Nicht zuletzt geht es bei diesem Erstgespräch auch um den Beziehungsaufbau mit unseren Mieter:innen. So stehen wir mit ihnen ab Vertragsabschluss in Kontakt.


Weiterführende Unterstützung

Etwa zehn Prozent unserer Mieter:innen braucht über dieses Erstgespräch hinaus weitere Unterstützung. Dahinter stehen Auszubildende und Studierende, die wirtschaftlich und/oder sozial benachteiligt sind und uns von den Sozialzentren zugewiesen werden. Aber immer mehr geht es auch um Personen, die nicht bei den Sozialen Diensten anhängig sind und bei welchen sich während der Dauer des Mietverhältnisses soziale oder wirtschaftliche Probleme manifestieren. Ein Dauerbrenner ist das Thema «Budget und Schulden». Seit der Pandemie geht es vermehrt auch um die psychische Gesundheit. Wir begleiten zudem bei Konflikten in WGs und bei schwierigen Wohnungsübergaben.

Darüber hinaus sind wir heute viel besser vernetzt mit verschiedenen Fachinstitutionen. Es finden gemeinsame Sitzungen statt und die Zusammenarbeit ist intensiver. Brauchen unsere Mieter:innen themenspezifische Beratung, werden sie an die zuständige Fachstelle triagiert.


Vorbereitung fürs Leben

Werden wir gefragt, weshalb das JUWO die Sozialberatung braucht, ist für mich die Antwort klar: Es braucht uns, um den jungen Menschen Wohnraum zu sichern, die sonst aus dem System fallen würden. Auf dem freien Wohnungsmarkt gelten sehr strikte Regeln, man bekommt keine zweite Chance. Beim JUWO aber schon, wir vermitteln die notwendigen Wohnkompetenzen. Diejenigen, die das JUWO einst wieder verlassen, können auf dem freien Markt gut bestehen, weil sie über solide Wohnkompetenzen verfügen.

Und so gibt es immer wieder erfüllende Momente beim JUWO, wenn nach einer intensiveren Unterstützung ein junger Mensch zu mir sagt: «Es ist toll, gibt es eine solche Institution wie das JUWO, ohne euch hätte ich es nicht geschafft, selbstständig zu wohnen und meine Ausbildung erfolgreich abzuschliessen.»

Portrait Ml

Marie-Louise van Swelm,
ausgebildete Sozialbegleiterin eidg. FA und Hospitality Management FH, ist stellvertretende Geschäftsführerin des JUWO und Leiterin Sozialberatung.

Sie ist leidenschaftliche Gärtnerin und
zu jeder Jahreszeit mit dem Velo unterwegs.