Die multimediale Zeitreise

multimediale Zeitreise

1990 — 2003

Beitrag Nr. 08


BEITRAG VON DR. ANNINA SANDMEIER-WALT

Für eine «harmonische Entwicklung» von Zürich

Sei es bei Liegenschaften, den Finanzen, aber auch im Hinblick auf die ideelle Förderung: Ohne die Stadt Zürich wären die Vereine Jugendwohnhilfe und Zürcher Jugendwohnungen wohl wenig erfolgreich gewesen. Nach und nach wurden sie unabhängiger.

Beschaffung, Erhaltung und Vermehrung zahlbaren Wohnraums für junge Menschen in der Stadt Zürich sind bis heute die Ziele des JUWO. Seit Beginn benötigte es dafür sowohl finanzielle als auch ideelle Unterstützung. Die Mitgliederorganisationen der Jugendwohnhilfe – von den Parteien bis zu den Kirchen und der Israelitischen Cultusgemeinde – zahlten daher einen jährlichen Beitrag an den Verein und schickten ihre Delegierten an die entsprechenden Versammlungen. Einen zentralen Beitrag aber leistete auch die Stadt Zürich – finanziell wie ideell.


Initiale Unterstützung – mit Wohnungen und Finanzen

Die Stadt Zürich also war ein zentraler Partner der beiden Vereine Jugendwohnhilfe und Zürcher Jugendwohnungen (VZJW). Die «Ligi», die Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich, stellte Wohnungen bereit, die beiden Vereine organisierten die Vermietungen und linderten damit die Jugendwohnungsnot (JUWO-History Blog Beitrag 1). Bis andere, vor allem private Wohnungsanbieter:innen davon überzeugt werden konnten, den Vereinen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, dauerte es noch mehrere Jahre (JUWO-History Blog Beitrag 3). Doch die Liste der Vermieter:innen wurde kontinuierlich länger.

1998:  Unsere Vermietungs-Partner

 2022: Unsere Partnerschaften

Neben der «Ligi» war aber auch die finanzielle Unterstützung der Stadt entscheidend für den Erfolg der Jugendwohnhilfe. Der Stadtrat gewährte ihr für die ersten zwei Jahre einen Starthilfe-Beitrag von je 24 000 Franken. Zudem sprach Sozialvorsteherin Emilie Lieberherr, spätere Stiftungsrätin der Jugendwohnhilfe, 1984 einen Beitrag von 10 000 Franken aus dem Legat von Heinrich und Marion Gretler zur Deckung von Mietzinsausfällen. In ähnlichem Rahmen wurde auch der VZJW unterstützt. Mieteinnahmen, Beiträge der Stadt Zürich und Spenden bildeten so die Hauptpfeiler der Finanzierung beider Vereine in den ersten Jahren.


Tiefe Mieten dank Darlehen

Ab 1990 erhielt die Jugendwohnhilfe durch den Jugendwohnkredit der Stadt Zürich regelmässig zinslose Darlehen, die den Erwerb und die Sanierung von Liegenschaften ermöglichten. Die Jugendwohnhilfe entwickelte sich so erfolgreich, dass sie bald keine wiederkehrenden städtischen Beiträge in Anspruch nehmen musste. Hingegen sind die zinslosen Darlehen der Stadt, die sich inzwischen auf über acht Millionen Franken belaufen, noch immer ein wichtiger Pfeiler des JUWO, die Mieten so tief wie möglich zu halten. Sie erlauben Mietsenkungen von bis zu 30 Prozent.

So mag sich die Frage stellen, ob das Jugendwohnen gerade im Hinblick auf die Mietzinsen durch vermehrte Beiträge und Spenden noch günstiger gestaltet werden könnte. Jean-Marc Hensch, Präsident des JUWO, verneint: «Eine dauerhafte Finanzierung der eigentlichen Mietzinsen durch Spenden oder Beiträge der öffentlichen Hand ist in Anbetracht der Beträge, um die es gehen würde, ausgeschlossen.» Während eine Subvention der Mietzinsen in den Augen von Hensch also nicht nachhaltig wäre, betont er aber die Wichtigkeit der regelmässigen öffentlichen Unterstützung für andere Aufwände des JUWO. «Dazu gehören die zinslosen Darlehen für Investitionen in Immobilien aber auch die Beiträge des Sozialdepartements an die Sozialberatung.»

Bilder: Umbau einer Liegenschaft des VZJWs an der Sihlhallenstrasse 33, 1998. | Jahresbericht 1998 des Vereins Zürcher Jugendwohnungen


Spenden sichern die Substanz

Auch Spenden bildeten einen wichtigen Teil der Finanzierung des heutigen JUWO. Ihre Höhe änderten sich jährlich. In guten Jahren betrugen sie über
100 000, in mageren Jahren unter 10 000 Franken. Zu den Spender:innen bei der Jugendwohnhilfe gehörten neben den Mitgliederorganisationen auch Stiftungen, Firmen und Privatpersonen. Es fällt auf, dass die Beiträge der Mitgliederorganisationen in einer ersten Phase regelmässig erfolgten, jedoch bereits in den 1990er-Jahren abnahmen und bei einigen Organisationen in unregelmässigen Abständen erfolgten. Dies kann als Zeichen für eine zunehmende Stabilität und Selbständigkeit gewertet werden: Bald war die Jugendwohnhilfe ein Selbstläufer, der die Unterstützung der Mitglieder immer weniger benötigte. Zuweilen konnten die Mitgliederorganisationen kaum mehr motiviert werden, drei Delegierte an die Versammlungen zu schicken.

Unter den Spenden befanden sich auch beachtliche Beträge für Liegenschaften oder konkrete Bauvorhaben. Für den Erwerb der Müllerstrasse 65 etwa ging 1992 ein Betrag von 158 000 Franken ein. Schon die erste eigene Liegenschaft – im Baurecht von der Stadt Zürich – an der Breitsteinstrasse konnte 1986 dank einer Spende gekauft werden: Das Zürcher Brockenhaus steuerte 200 000 Franken bei (JUWO-History Blog Beitrag 3). Auch auf diesem Feld konnte die Jugendwohnhilfe auf die Stadt zählen, die ihr Liegenschaften im Baurecht zuhielt.

Bilder: Zahlen und Fakten zur Akquise von finanziellen Mitteln und Liegenschaften sind in den Geschäftsberichten verfügbar.


Sozialberatung mit städtischer Unterstützung

Anders als bei der Jugendwohnhilfe waren Sozialberatungen von Beginn an ein Pfeiler des VZJW. Entsprechend war die finanzielle Abhängigkeit von der Stadt grösser als bei der Jugendwohnhilfe, die bei der Vermietung auf junge Menschen setzte, die ohne Unterstützung auskamen. Der VZJW nahm auch Jugendliche ohne regelmässigen Erwerb und von Krankheit und Sucht Betroffenen als Mieter:innen auf. Als der Verein 1982 seine Arbeit aufnahm und Beratung und entsprechende Begleitung anbot, entlastete er damit die 1971 gegründete Zürcher Arbeitsgemeinschaft für Jugendprobleme (ZAGJP), die mit Arbeit überhäuft war und kaum nachkam.

Durch die Sozialberatungen, die grösstenteils von der Stadt Zürich finanziert wurden, stand der VZJW in stetem Kontakt mit dem Sozialamt. Nach der Fusion von Jugendwohnhilfe und VZJW im Jahr 2003 integrierte das JUWO die Sozialberatungen in sein Tätigkeitsfeld. Denn auch die Jugendwohnhilfe hatte festgestellt, dass eine wachsende Anzahl Mieter:innen «Bedarf an Beratung zeigen und deren Mietkompetenz abnimmt». Das JUWO erhielt den Leistungsauftrag für die Sozialberatungen und finanzierte diese grösstenteils durch die Stadt Zürich und den Mietüberschuss.


Herausforderungen und Ideelles

Finanziell war es für die Vereine immer eine Herausforderung, eine Balance zu finden zwischen möglichst günstigen Mieten und der eigenen Zahlungsfähigkeit. Denn zahlten Mieter:innen, die nur zur Untermiete wohnten, nicht, hafteten die Vereine. Um selbst zahlungsfähig zu bleiben, musste die Jugendwohnhilfe entsprechende Reserven aufbauen. Und das war keine Kleinigkeit: 1992 zahlten zwischen 10 und 25 Prozent der Mieter:innen bis am Zehnten des Monats ihre Mieten nicht ein, einige wenige Zahlungen blieben gar ganz aus. Die Sorge um die Finanzierung blieb daher immer auch in der alltäglichen Arbeit zentral.

Vermieter:innen von Wohnungen für die Jugendlichen zu finden, war zu Beginn eine schwierige Aufgabe. Auch hier half die Stadt mit, die Anliegen von JUWO bekannt zu machen. 2003 forderte Stadtpräsident Elmar Ledergerber persönlich in einem Schreiben alle Liegenschaftsbesitzer:innen in Zürich auf, eine Vermietung von günstigem Wohnraum an JUWO zu prüfen und pries die «harmonische Entwicklung» der Stadt, die es wirksam zu fördern galt. Er unterstrich dabei die Vorteile des JUWO: «Das Jugendwohnnetz ist eine etablierte, von den Religionsgemeinschaften und politischen Parteien getragene Institution, die sehr eng mit der Stadt Zürich zusammenarbeitet.»

Im Jahr 2003 setzt sich Stadtpräsident Elmar Ledergerber
für das JUWO ein.

Der Zürcher Stadtpräsident, Elmar Ledergerber,
anlässich des 20-Jahr-Jubiläums des Jugendwohnnetzes am 18. September 2003. 

Bild: Jahresbericht 2003 Jugendwohnnetz